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Januarseminar 2024 – ein Rückblick und ein Buchtipp

von Frank Loddemann

Was muss Bildung heute leisten? Das war die Aus­gangs­frage, mit der Ann-Kathrin Leide als Verantwortliche der Burg Liebenzell und ich für den Vorstand an die Planung des Seminars herangegangen sind. Da wir beide beruflich aus schulischen Zusammenhängen kommen, war der restliche Vorstand besorgt, es könnte hauptsächlich um schulische Bildung gehen. Wir haben als Orga-Team also darauf geachtet, dieses Feld zum auszulassen.

Für viele Herausforderungen, vor denen wir heute stehen, wird Bildung als (Teil-)Lösung vorgeschlagen. Etwa Rechts­populismus, Umwelt­zerstörung und Klima­wandel sowie soziale Ungerechtigkeit sollen durch mehr oder andere Bildung bekämpft werden, so die Forderungen. Inwiefern kann Bildung das leisten? Wir hatten zwei Referentinnen und einen Referenten, die uns zu diesen Themen­bereichen informierten und die in Diskussionen Rede und Antwort standen.

Allgemeine politische Bildung darf und soll keine eigenen politischen Ziele verfolgen, sondern sie soll das individuelle politische Handeln und die Partizipation in einer demokratischen Gesellschaft ermöglichen und absichern. Unsere Referentin Asli Küküc ist freiberuflich in der politischen Bildung tätig, und im ersten Teil hat sie das Aufgabenfeld der politischen Bildung abgesteckt. Für Erstaunen und Diskussion hat ihre Einschätzung gesorgt, dass politische Bildung nicht als akutes Mittel dient, um gesellschaftlichen Fehlentwicklungen entgegenzuwirken. Der Zeithorizont seien eher Jahrzehnte als Jahre, weil neue Programme und Aktivitäten über­parteilich abge­stimmt und beschlossen würden. Für ein schnelles Eingreifen gegen den grassierenden Rechts­populismus der letzten Jahre scheinen Programme der politischen Bildung demnach nicht als Mittel der Wahl. Dafür wurde im Workshop-Teil mit Asli in Rollen­spielen erprobt, wie etwa mit populistisch pauscha­lisierenden und diskrimi­nierenden Äußerungen umgegangen werden kann. Wir haben gelernt, dass es klug und interessant sein kann, diejenigen, die gegen alles und jeden sind, am besten mit der Frage zu konfrontieren, wie sie sich die Welt denn idealer­weise vorstellen. Der Beitrag von Asli Küküc war für mich ein bereichernder inhaltlicher Seminar­start am Freitag.

Am Samstag standen ebenfalls ein theoretischer Input und ein Workshop auf dem Programm. Eingeladen war Dr. Jule Hildmann, die leider krankheitsbedingt nicht persönlich anreisen konnte. Sie hat sich allerdings erfolgreich per Videokonferenz in den Seminarraum schalten können und ein flammendes Plädoyer für mehr Zeit draußen gehalten. Die Wirkungen von sinnvollen Tätig­keiten in der Natur sind wissenschaftlich belegt. Und weil Sitzen das neue Rauchen ist, sind wir vor dem Mittagessen noch in die Natur und haben unsere Aufmerksamkeit geschult. Anschließend haben wir in kleineren Gruppen entweder Holzklötze in Team­arbeit aufgetürmt, Land Art gestaltet oder sturzfeste Eier­packungen mit Natur­materialien gebaut. Direkt zu erfahren, wie das gemeinsame Erleben an der frischen Luft wirkt, war der unmittelbare Beweis, dass die Thesen vom vorherigen Vortrag sehr richtig sind.

Am Samstagnachmittag erklärte uns Philipp Schrögel die Heraus­forderungen der Wissen­schafts­kommunikation und lieferte viele Beispiele für gelungene Fälle derselben. Um auch Menschen zu erreichen, die bisher nicht viel mit Wissen­schaft zu tun haben, ist es wichtig, niedrigschwellige Angebote zu machen und auch dorthin zu gehen, wo Wissen­schaft sonst kaum eine Rolle spielen dürfte, etwa in dörflichen Schützen­heimen. Die Begeisterung, mit der Herr Schrögel von den Projekten berichtete, war inspirierend. Er erweckte den Eindruck, dafür zu brennen, dass Menschen über ihren eigenen Tellerrand schauen können. Derart vermittelte wissen­schaftliche Erkennt­nisse können einen Gegenpol zu Fake-News und zu stark vereinfachenden Erklärungen sein.

Für mich persönlich ziehe ich das Fazit, dass Bildung durchaus in der Lage ist zu helfen, die dringenden Probleme unserer Zeit zu lösen. Bildung findet aber nicht im luftleeren Raum statt, sondern ist immer eingebettet in alle anderen gesellschaftlichen Teilbereiche. Ohne dass auch diese anderen Bereiche sich ändern, bleibt die Hoffnung, „die Bildung“ möge es richten, ein frommer Wunsch.

Wir als Vorstand und als Orga-Team freuen uns über die Rekordteilnahme an einem Januarseminar unter Federführung der CAV und sind froh über das positive Feedback. Das spornt uns für die weitere Arbeit und Ann-Kathrin und mich insbesondere für das nächste Januarseminar an.

Und hier der Buchtipp. Bitte wendet Euch an Euren lokalen Buchhändler:
Aladin El-Mafaalani: Mythos Bildung - Die ungerechte Gesellschaft, ihr Bildungssystem und seine Zukunft

Januarseminar 2024

Bildung, hilf! · Was muss Bildung heute leisten?

4. – 7. Januar 2024 · Internationales Forum Burg Liebenzell · Bad Liebenzell

[Blick von der Burg Liebenzell. Bild: Janina Döhrmann]

Blick von der Burg Liebenzell. Bild: Janina Döhrmann

Liebe Freunde,

Klimawandel, Rechtspopulismus, demographischer Wandel und vieles andere mehr: Die Herausforderungen, vor denen wir stehen, liegen auf höchst unterschiedlichen Ebenen und brauchen eine Vielzahl von Lösungs­ansätzen. Über die besten Lösungen herrscht alles andere als Einigkeit, denn die Systeme sind meist komplex.

Eines ist aber meistens unstrittig: Aufklärung und Bildung helfen. Sie helfen, unterschiedliche Probleme zu erkennen und sich ihrer anzunehmen. Auch beim gesell­schaftlichen und politischen Aushandeln der besten Lösungen kann Bildung dabei helfen, andere Meinungen auszuhalten und vermeintlich einfache Scheinlösungen zu erkennen.

Der Anspruch an die individuelle Bildung ist spätestens seit Wilhelm von Humboldt enorm. Und auch heutzutage wird der Bildung viel zugetraut und abgefordert. Umwelt­bildung, politische Bildung und das Herstellen von Chancen­gleich­heit sind nur einige der Forderungen, die an Bildung gerichtet werden.

Wir wollen uns mit verschiedenen Spielarten von Bildung heute vertraut machen. Dazu werden wir zunächst die Mechanismen von Rechtspopulismus und Ver­schwörungs­erzählungen kennenlernen, um dann in einem Workshop auszuprobieren, wie man rhetorisch damit umgehen kann. Wir werden außerdem erleben, wie die Natur selbst genutzt werden kann, um zukunftsfähiges Denken und Handeln zu fördern.

Schließlich werden wir erfahren, ob und inwiefern unser Bildungssystem ungerecht ist und eine soziale Durchlässigkeit verhindert. Politische Bildung, Bildung für Nach­haltigkeit und Umwelt­schutz sowie Chancen­gleichheit: Diese Themen wollen wir gewohnt kontrovers und aktiv angehen.

In der tollen Atmosphäre der Burg Liebenzell werden wir uns generationenübergreifend austauschen können. Bildung ist ein gesamtgesellschaftliches Thema und dennoch sehr individuell und persönlich. In diesem Spannungs­feld sehen wir fesselnden Gesprächen und dem Austausch bei einer Feuerzangenbowle entgegen (gerne auch alkoholfrei).

Meldet euch jetzt an, wir freuen uns schon sehr!
Ann-Kathrin Leide (für die Burg Liebenzell) und Frank Loddemann (für den CAV-Vorstand)

[dialog titel]
dialog aktuell, Ausgabe November 2023
(PDF, 4 MB)

Der dialog aktuell enthält alle Informationen zu Programm und Referenten.

Tagungskosten
Teilnahmebetrag 130 EUR zzgl. Kurtaxe
Jugendliche ab 11 Jahren und Studenten 40 EUR zzgl. Kurtaxe

Der Betrag wird bei Anreise an der Rezeption entrichtet (bar oder Girocard, keine Kreditkarte).

Programm

Programm

Donnerstag, 4. Januar

16:00 Anreise
18:00 Abendessen
19:00 Willkommen
Ann-Kathrin Leide, Frank Loddemann
Begrüßung und Vorstellung
19:30 Persönlicher Einstieg ins Thema
Ann-Kathrin Leide, Frank Loddemann
Kennenlernen und Erwartungen
21:30 gemütliches Beisamensein in der Burgschenke

Freitag, 5. Januar

08:00 Frühstück
09:30 Politische Bildung in Zeiten von Populismus und Verschwörungstheorien I: Worum geht es?
Asli Küküc
Vortrag und Diskussion
12:15 Mittag
14:30 Politische Bildung in Zeiten von Populismus und Verschwörungstheorien II: Kann man mit solchen Leuten diskutieren und wenn ja, wie?
Asli Küküc
Workshop und Diskussion
18:00 Abendessen
danach gemütliches Beisammensein

Samstag, 6. Januar

08:00 Frühstück
09:30 Erlebnispädagogik als Teil von Bildung für nachhaltige Entwicklung
Dr. Jule Hildmann
Impulsvortrag und praktische Übung in der Natur
12:15 Mittag
14:30 Wissenschaftskommunikation
Philipp Schögel
Vortrag und Diskussion
18:00 Abendessen
19:00 Abendprogramm

Sonntag, 7. Januar

8:00 Frühstück
9:15 Das war‘s – Seminarauswertung und Ausblick
Ann-Kathrin Leide, Frank Loddemann
Evaluation und Feedback
10:30 Abreise