Menu

Neujahrsseminar 2016

 

"Drogen in der Gesellschaft – Gesellschaftsdrogen"
05.–08. Januar 2017 auf Burg Liebenzell

Zu Einladung und Programm
Zur Bildergalerie

Was tun die Substanzen mit uns, die wir täglich konsumieren? Welche illegalen Substanzen werden in Deutschland konsumiert? Was sollte man gesetzlich tun? Wie bildet man einen Konsens, wenn eine Gesellschaft ihr Fundament an Vertrauen verloren hat? Diese Fragen begegneten uns auf dem Seminar, über das Amadeus Vargas Röhl den Bericht geschrieben hat. Fotos gemacht hat Ronald Peters.

Der Rausch des Seins auf dem Berg der Burg

von Amadeus Vargas Röhl

Man konnte den Atem vor sich sehen und hatte das still verschneite Tal um sich. Mit der Sonne im Gesicht und in wolliger Kleidung wanderten unsere Gedanken zu den uns dargebotenen Konzepten zu Rausch. Zwei Vorträge unterschiedlicher Positionierung gaben uns Material zur Standpunktsuche. Kann die Polizei Legalisierungen überhaupt kontrollieren? Ist Entkriminalisierung die Lösung aller Probleme?

Hermann Leist, Kommissar a.D., hatte seinen Drogenkoffer mit Ausnahmegenehmigung dabei. Er ließ uns auch Stoffe begutachten, deren positive Rauschwirkung durch abschreckende gesundheitsgefährdende Nebenwirkungen kaum eine Legalisierung nahelegen. In den letzten Jahren waren besonders die Neuen psychoaktiven Substanzen (NPS) relevant, die in immer neuen bunten Tütchen und mit immer neuen Wirkstoffen auf den Markt kamen. Sie sind vielfach wirksamer und gefährlicher als Cannabis, konnten allerdings nur mit Mühe und der chemischen Entwicklung hinterherhinkend verboten werden.

Bernd Werse, leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter am Drug Research Centre in Frankfurt, bot uns einen noch breiteren Kontext. Wie viele Menschen konsumieren Drogen? Wie alt sind sie? Was konsumieren sie? Wie oft? Welche Typen lassen sich unterscheiden? All diese Fragen wurden sachkundig beantwortet, und so erfuhren wir, dass vor 18 scheinbar etwa 2/3 der jungen Menschen schon illegale Drogen konsumiert haben, die Konsumenten im Schnitt männlich und 24,9 Jahre alt sind, sowie überwiegend leichte Drogen konsumieren – aber einige auch als „Psychonauten“ systematisch neue Substanzen erkunden. Die Frage, was zu tun wäre, ob unsere Gesetzgebung konsistent ist und was die Folgen einer Liberalisierung wären, konnte leider nicht abschließend geklärt werden.

Neben dem Konsum von Informationen erfuhren wir am eigenen Leib die sozial fördernden Wirkungen von Speis und Trank. Wir genossen die Paracelsustherme und suchten passende Gitarrenlieder heraus. Burg Liebenzell wirkte positiv in ihrer passiv ruhigen Art eines vor gar nicht allzu langer Zeit gebauten Gemäuers. Mittlerweile gibt es den Burggeist auch aus Marzipan.

Es steht gar nicht so schlecht um den Jugenddrogenkonsum, außer vielleicht in Bayern, und dies obwohl damit nicht mal der Bierkonsum gemeint ist. Schlimmer als wir es auf unserem Abstecher in die Fiktion Santa Frontera im realen Mexiko erlebt haben, geht es kaum, könnte man denken. Aber man könnte vermuten, dass es sich bei Mexiko um einen vergleichsweise stabileren Staat handelt als zum Beispiel Afghanistan. Wir verstanden, dass alle Akteure der Gesellschaft miteinander konstruktiv kommunizieren müssen, damit Lösungen gefunden und durchdacht werden können und dass jegliche Lösung einen funktionierenden, nicht korrupten Staatsapparat für ihre Durchführung benötigt. Es kann dabei hilfreich sein, aus seiner eigenen Rolle herauszutreten und positionsunabhängig die Dinge auf einer weiteren Ebene zu besprechen. Dann sitzt man nicht mehr nur auf dem eigenen, heißen Stuhl.

The Drugs worked a bit in der Kühle der Bad Liebenzeller Luft.


Titelfoto von Ronald Peters.