Titelfoto: Thomas Hein
Impressionen vom Bundestreffen 2017
von Peter Nold
Am durch Fronleichnam verlängerten Wochenende haben wir uns wieder mal versammelt, diesmal in der Mitte der erweiterten BRD, in Neudietendorf. Das kennen Sie nicht? Na ja, ich kannte es auch nicht, bevor mich die Bahn dorthin befördert hat. Es ist ein beschaulicher kleiner Ort, 14 Bahnminuten westlich von Erfurt, berühmt geworden durch die Herrnhuter. Diese haben hier ein beachtliches bauliches Ensemble geschaffen, wozu auch das Tagungshaus gehört (heute erweitert durch drei moderne zweistöckige Übernachtungshäuser und nur drei Fußminuten vom Bahnhof) und eine lange schöne Häuserzeile „Alter Hof“, nicht zu vergessen den Kirchsaal, der ja in allen Gemeinden gleich gestaltet ist. Nur die Orgel ist schon mal verschieden, hier übrigens sehr schön, wie wir uns gleich am ersten Abend überzeugen konnten. Christian Thiele, der Ortsgeistliche – Pfarrer (also Pfarr-Herr) ist er nicht, denn das widerspricht dem geistlichen demokratischen Selbstverständnis der Herrenhuter – führte uns ein und auch über den Gottesacker. Schmucklose Grabsteine, denn im Tode sind alle gleich. Gras und eine schöne Baumallee prägen den Gottesacker. Der Abend klang aus bei Wein, Bier und dergleichen in einer fröhlichen Wiedersehens- und Kennenlernrunde.
Freitag: Frühstück, Vorträge, Lagerfeuer
Am Freitagmorgen erwartete uns – wie jeden Morgen – ein reichliches Buffet von vegan bis ‚fleischlich’, wo man sogar Körner selbst von Hand schroten konnte. Auch eine Teevielfalt, die man sonst nicht kennt. Dann ging’s hinein ins Tagungsthema: Glauben in Gesellschaft - Von den Pflichten eines Christenmenschen
Dazu der erste Vortrag von Dr. Horst Gorski, Vizepräsident der EKD, über Das rechte Wort zur rechten Zeit – Die Rolle der Kirchen in einer pluralen Gesellschaft. So einen umfassenden Überblick über die Entwicklung der Kirche von Luther bis heute und insbesondere heute habe ich noch nie gehört. Voller interessanter und durchaus auch skurriler Details – etwa der vorgeschriebenen Zeugen für den vollzogenen Beischlaf der jungen Eheleute! –, ohne den großen Bogen aus den Augen zu verlieren, gut verständlich trotz großer Komplexität und vorgetragen in freier Rede. Chapeau, chapeau! Das war m. E. jedenfalls der Höhepunkt der Tagungsbeiträge, wobei die sich anschließende Fragerunde nicht weniger niveauvoll war.
Am Nachmittag dann Dr. Hagen Findeis (Uni Halle-Wittenberg), der sich zuerst von der Biographie eines Bischofs in der damaligen DDR (Ingo Braecklein) der Befindlichkeit der Kirche in der damaligen DDR näherte, was wegen der begrifflichen Dichte unsere totale Aufmerksamkeit erforderlich machte. Im zweiten Teil erzählte er von seinem persönlichen Erleben und Engagement während der Montags-Demos in Leipzig 1989, was nicht zuletzt durch die bildmäßige Unterstützung sehr anschaulich und packend war. Risiko und Gefährlichkeit von politischem Engagement von kirchlicher, nicht staatskonformer Seite wurden konkret spürbar.
Am Vorabend wurde noch der Bericht von Andreas Schreib vom CJD eingeschoben, der erfreulich kurz und ergebnisorientiert über die Aktivitäten zur Gewinnung neuer Studenten berichtete und auch zur Beteiligung einlud. Am Abend gab es sogar ein Lagerfeuer, wofür eine große Metallschale bereitstand, sehr zur Freude der zahlreichen Kinderschar. Sie durften Stöcke kleinmachen, hineinwerfen und staunen, wie wir früher auch. Abenteuer pur!
Samstag: Exkursion, Beschlussfassung, Feierstunde
Am Samstag stand dann die obligate Exkursion an, wobei sich die Stadt an der ehemals bedeutenden Furt durch die Gera (gErafurt) natürlich anbot. Am Anfang der Exkursion stand natürlich – wie könnte es anders sein im Reformationsjubiläumsjahr – der Besuch des Augustinerklosters, wo Luther ab 1505 ein hartes Mönchsleben führte. Wir durften die Bibliothek bestaunen und unter kundiger Führung: ehrfurchtsheischende Folianten und reich mit Gold und Farben verzierte Anfangsbuchstaben in den ersten Buchdrucken betrachten, die der Bibliothekar Herr Dr. Ludscheidt für uns aufgeschlagen hatte.
Auf dem darauffolgenden Stadtrundgang kamen wir auch zur berühmten Krämerbrücke über die Gera mit ihren prächtigen Brückenhäusern (für die Krämer), die wir bewundern konnten, als wir darübergingen und uns zwischen den vielen Menschen hindurchschlängelten. Es war nämlich gerade Brückenfest mit Mittelaltermarkt und ‚allerley Gewerk’. Dazu passte ein launiger Kommentar aus der Gruppe, etwa so: ‚Was wollen alle diese Touristen hier? Da kommt man ja kaum voran.’
Auf der Krämerbrücke erfuhren wir auch noch von der ‚anrüchigen’ Herstellung von Indigo-Blau aus der Pflanze Färberwaid und Urin, und wie man an den Harnstoff kam. Am Anfang stand das Bier, dann … Na ja, das können wir uns selbst vorstellen, auch den Gestank von solchen Sammelfässern etc. Übrigens durften nur Männer ihren Beitrag leisten.
Bis zu den beiden Prachtkirchen und der berühmten hohen Domtreppe kamen wir, aber nicht hinauf sondern gleich hinab ins düstere Kellergewölbe des Wirtshauses Christoffel. Aus herrlichem luftigen Sonnenschein ins Keller-Dunkel mit massivem Holzgestühl und deftigen Bierhumpen und Klößen wie Kanonenkugeln. Urig eben!
Das Wirtshaus hielt uns länger als geplant in seinen langen Gewölben fest, aber wir kamen doch wieder hinauf ans Licht und zur Arbeit. Nur musste die BV (Beschlussfassende Versammlung) um eine Stunde nach hinten verschoben werden. Es standen ja Neuwahlen an, was umfangreichere Präliminarien erforderlich machte, die aber in gegenseitigem Respekt und größerem Engagement aller Anwesenden gelöst werden konnten, so dass das abschließende Gruppenfoto und der festliche Abend fast pünktlich gefeiert werden konnte. Nach dem kalt-warmen Buffet gab es einige Darbietungen und dann konnte man wieder in Gespräche eintauchen, und auch ein griechischer Umtrunk wurde gestiftet. „Das ist bei uns so ‚ouzo’.“, um einen Teilnehmer zu zitieren.
Sonntag: Gottesdienst, Herrlichkeit, Anerkennung
Der sonntägliche Gottesdienst fand natürlich im Kirchsaal nebenan statt, wo der evangelische Pfarrer Güntzel Schmidt eine hervorragende Predigt hielt über 1. Joh. 4, 7-11, also über Liebe. Er ging aus vom griechischen Begriff ‚doxa’, der üblicherweise mit (Gottes) Herrlichkeit wiedergegeben wird, aber in seiner Grundbedeutung ‚Meinung von / über eine Person bedeutet. Im Deutschen bietet sich der Begriff Anerkennung an. Das braucht jeder Mensch von klein an und gibt es auch weiter – hoffentlich! Somit streben wir danach. Gottes Herrlichkeit besteht also letztlich darin, dass er uns, wenn wir ihn anerkennen (also an ihn von ganzem Herzen glauben), seine Anerkennung schenkt. Und in dieser Herrlichkeit, in dieser Anerkennung werden wir dann strahlen vor Freude. Was mehr kann ein Mensch anstreben? Ein gutes Wort auf den Weg! Gottes Segen und gute Reise!
Fazit
Eine Tagung in friedlicher, sonniger, ja heiterer Atmosphäre bei guter Rundumversorgung geht zu Ende und macht Lust auf das nächste Bundestreffen, das wieder mal hoch oben über dem Rhein (über Kaub) angesetzt ist. Herzlichen Dank allen, die das so gut vorbereitet haben!
Peter Nold.